transversale 12: programmatik


"Félix Werk bleibt zu entdecken oder wiederzuentdecken. 
Das ist eine der schönsten Arten, Félix am Leben zu erhalten."
Gilles Deleuze

Der französische Schizoanalytiker Felix Guattari (1930-1992) ist unbestritten Teil der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Allerdings hält diese eine undankbare Rolle für ihn bereit: Immer noch fristet er ein Dasein im Schatten seines ungleich berühmteren Kollegen und Freundes Gilles Deleuze. Im Gefolge der politischen, sozialen und intellektuellen Unruhen der späten 1960er-Jahre hat sich das Denken von Deleuze radikalisiert und entakademisiert. Dies verdankt sich nicht zuletzt dem Einfluss Félix Guattaris und dessen praktischen Erfahrungen aus der Bewegung der institutionellen bzw. psychotherapeutischen Analyse, sprich: der beständigen Arbeit an der sozialen Entfremdung, die wir durch Institutionen jeder Art erfahren. Früchte dieser außergewöhnlichen Kooperation sind u. a. die legendären Publikationen „Anti-Ödipus“ und „Tausend Plateaus“ – eine Revolution des akademischen Diskurses, aber mindestens ebenso wichtig für künstlerische und politische Strömungen und Bewegungen...
 
Aus Anlass des 20. Todestags von Félix Guattari widmet sich die Veranstaltung an der Akademie der Bildenden Künste den Spuren des im deutschen Sprachraum zu Unrecht vergessenen Denkers. Teil eins der Wiener Zusammenkunft widmet sich einer theoretischen Auseinandersetzung mit Guattaris Schriften und Konzepten, dargestellt und weiterentwickelt von DenkerInnen, die Guattari teils persönlich kannten und mit ihm zusammenarbeiteten oder sich mit seinem Werk seit langem intensiv beschäftigen. Teil zwei der Veranstaltung ist als Workshop-Reihe konzipiert, die das begriffliche Universum Guattaris zum Ausgangspunkt für konkrete Auseinandersetzungen mit Praktiken der Subjektivierung nimmt – eines für Guattari zentralen theoretischen wie praktischen Problems: „Wie lässt sie sich erzeugen“, schreibt er, „einfangen, anreichern, permanent neu erfinden, und zwar so, dass sie mit den in Veränderung begriffenen Werte-Universen in Einklang gebracht werden kann? Wie auf ihre Befreiung hin arbeiten, das heißt, in Richtung ihrer Re-Singularisierung? Alle Disziplinen müssen ihre Kreativität zusammenlegen, um die Wunden der Barbarei zu heilen.“
Die Workshops entwickeln eine Analytik der Produktionsverhältnisse und des zeitgenössischen Semiokapitalismus, die auf Guattaris Reflexionen fußt. Mit Guattari lassen sich die Zeichen der universalen Barbarisierung neu deuten: Ich-AG, Kognitariat und soziale Netzwerkbildung sind davon genauso berührt wie Fragen der Wissensgenerierung und Wissenszirkulation im Zeitalter des universalen Cyberkapitalismus. Die „Psyche“ (Sensibilia) ist zu einem zentralen Produktionsmittel in einem Kapitalismus geworden, der die Netzwerktopologien und Zeichenregime immer wieder neu ordnet und rekombiniert, die Cybertime kapitalisiert und die psychische Energie radikal ausbeutet.

Der konzeptive Geist von Félix Guattari soll uns zwei Tage lang inspirieren, um in verschiedenen Formaten Landschaften zu durchqueren, die Félix Guattari eröffnet bzw. erstmalig beschrieben hat. Neben Vorträgen und Lesungen wird ein Projektraum eingerichtet, der die Philosophie Guattaris mit kreativen Ausdrucksformen verbindet. Jedes Projekt wird eine konkrete Koppelung zwischen Textproduktion/Philosophie und kreativem Milieu herstellen und dadurch eine nicht-akademische Vermittlung der Philosophie entwickeln.

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